Oh, oh!

Die Interjektion o/oh ist weit verbreitet und wird unglaublich häufig falsch geschrieben – sogar in Büchern, die im Verlag ein Lektorat und mehrere Korrekturdurchgänge durchlaufen. Besonders häufig vertreten sind diese beiden Kandidaten:

Oh Mann!
Oh Gott!

Korrekt heißt es:

O Mann!
O Gott!

Warum ist das so?

Viele Schreiber scheinen sich am Englischen zu orientieren. Dort heißt es oh yeah, oh dear und oh no.

Im Deutschen gilt aber:

Die Interjektion oh steht als Wort für sich, danach muss ein Komma oder das Ausrufezeichen stehen:

Oh, oh!
Oh, das wusste ich nicht!
Oh! Bist du sicher?

Ausgedrückt werden Empfindungen wie Überraschung, Verwunderung und Erschrecken.

O wird nicht durch ein Satzzeichen abgetrennt, es braucht einen Begleiter, mit dem es einen festen Ausdruck bildet:

Oje!
O ja!
O nein!
O weh!
O wie schön!

O ist älter als oh, es wurde früher in Ausrufen wie eben O Gott verwendet, also als Anruf oder Anrede. Die Interjektion oh als alleinstehendes Wort entwickelte sich erst später. Dass wir hier nicht ebenfalls o schreiben, liegt daran, dass ein Wort im Deutschen nicht nur aus einem einzigen Buchstaben bestehen kann. Oder kennen Sie eines?

Nachtrag

Aber im Duden steht …

Nachdem ich diesen Beitrag veröffentlicht hatte, bekam ich eine E-Mail von einem Leser, der mich auf den Eintrag unter dem Stichwort »oh« auf duden.de hinwies. Der Ausruf »Oh nein!« sei sehr wohl richtig und es ginge offenbar beides, sowohl »O nein!« als auch »Oh nein!«.

Tatsächlich nennt die Dudenredaktion folgende Beispiele:

oh, das ist schade; ein überraschtes Oh; (in Verbindung mit anderen Wörtern oft ohne h geschrieben:) oh ja! oder o ja!; oh weh! oder o weh!

Für den E-Mail-Schreiber war daraufhin klar: Wenn das so im Duden steht, dann muss es richtig sein.

Ganz so einfach ist es allerdings nicht, denn man muss unterscheiden zwischen dem Duden als Wörterbuch und den verbindlichen Rechtschreibregeln – Letztere legt der Rat für deutsche Rechtschreibung im amtlichen Regelwerk fest.

Der Duden ist, anders als früher, schon lange nicht mehr verbindlich; die Dudenredaktion interpretiert die geltenden Regeln und spricht Empfehlungen aus. Sie beobachtet und beschreibt den Gebrauch und die Schreibung von Wörtern anhand des sogenannten Dudenkorpus, einer umfangreichen Textsammlung. Auf diese Weise finden Schreibungen, die von der Redaktion sehr häufig beobachtet werden, irgendwann Eingang in den Duden – das macht sie allerdings nicht automatisch regelkonform oder empfehlenswert.

Der Duden genießt bis heute ein hohes ideelles Ansehen und er ist auch ein gutes Hilfsmittel, wenn es darum geht, die Rechtschreibregeln umzusetzen. Wer beruflich schreibt und/oder an die amtlichen Regeln gebunden ist, tut allerdings gut daran, nicht alles unbesehen aus dem Duden zu übernehmen.

Privatpersonen können grundsätzlich schreiben, wie sie wollen. Wenn Ihnen »oh nein« also besser gefällt als »o nein«, können Sie diese Schreibweise wählen – dem Verständnis wird es in diesem Fall keinen Abbruch tun.

Zurück zu »o«

Sucht man auf duden.de nach dem Stichwort »o«, wird man ebenfalls fündig, denn die Interjektion »o« hat ihren eigenen Eintrag. Dort findet sich erneut das Beispiel »o weh!«, außerdem »o Gott!« wie bei meinen Beispielen weiter oben sowie »o Maria!« und „o wäre sie doch schon hier!«. Hier wird allerdings nirgendwo behauptet, die Schreibweise mit »oh« sei ebenfalls korrekt.

Als Bedeutung wird angegeben: Ausruf der Freude, der Sehnsucht, des Schreckens o. Ä., meist in Verbindung mit einem anderen Wort. Wo »o« ohne ein anderes Wort als Begleitung auftauchen könnte, dazu schweigt sich die Dudenredaktion aus.

Übrigens: Die Interjektion »o« begegnet Ihnen in schönster Regelmäßigkeit alle Jahre wieder, meist allerdings nicht in geschriebener, sondern in gesungener Form – in den Weihnachtsliedern O Tannenbaum und O du fröhliche.

Auch gerne falsch gesetzt: der Bindestrich

28 Kommentare zu „Oh, oh!“

  1. Ein Blick ins amtliche Regelwerk zeigt, dass nach Ausrufen wie „oh“ eben kein Komma stehen muss, wenn diese nicht betont werden sollen (Paragraf 79.2).

    1. Das stimmt, dort steht als Beispiel: »Oh wenn sie doch käme!« Man fragt sich, warum das Regelwerk die Existenz von »o« mit keiner Silbe erwähnt.

  2. „Dass wir hier nicht ebenfalls o schreiben, liegt daran, dass ein Wort im Deutschen nicht nur aus einem einzigen Buchstaben bestehen kann.“ ist aber schon eindeutig ein Widerspruch zur These des Beitrags. Offensichtlich ist dann ja „O“ ein solches.

    1. Hi. Eventuell ist die Definition von »Wort« unklar. Was ein Wort ist, wird in der Linguistik nach verschiedenen Kriterien bestimmt. Keines davon sieht einen einzelnen Buchstaben vor, der nicht frei im Satz vorkommen kann.

  3. Guten Morgen, ich lese gerade „Jiddisch“, von Salcia Landmann, Walter Verlag 1962.
    Dort steht, S.210:
    òwen, m. …Sünde, Übertretung, Vergehen… unserer vielen Sünden wegen, wird gebraucht bei Erwähnung eines großen Unglücks…

    Ich frage mich, da so vieles aus dem Jiddischen, bzw. über das Rotwelsche ins Deutsche eingebürgert wurde, ob das „O weh“ vom „Òwen“, abgeleitet ist. Ich habe diesbezüglich keine Hinweise gefunden.

    Danke, auch für eine abschlägige Antwort.

    1. Jiddisch ist faszinierend, da es manche Verbindung vom Hebräischen und Deutschen herstellt. Grundsätzlich vermute ich, dass sich òwen von Hebräisch עָוֹן (Avon) herleitet. Aber die Nähe zu „O weh!“ ist sicherlich naheliegend!

  4. Hallo Miriam, vor meiner Frage ein Schwank aus der Kindheit.
    Vor 60 Jahren habe ich mir von meinem – extrem gottesfürchtigen – Vater eine eingefangen, als mir ein spontanes „oje!“ rausrutschte. Er belehrte mich, das sei die Kurzform von „O Jesus!“ und, für eine Lappalie benutzt, eine blanke Gotteslästerung. So wurde mir schmerzhaft bewusst: Das „O“ dient als ehrfürchtiger Teil der Anrede, wie bei „O Gott“ und „O Tannenbaum“, ist also sowas wie die kleine Schwester von „Ave“.
    Sollte mein Vater recht gehabt haben, wäre dann nicht die korrekte Schreibweise „o Je!“?
    Sollte er nicht, hätte ich zumindest Grund, ihm die Ohrfeige posthum noch übelzunehmen.
    Freundliche Grüße
    Martin

    1. Miriam Muschkowski

      Hallo Martin,
      das stimmt tatsächlich: »Oje« ist aus »O Jesus« entstanden, ebenso wie die längere Variante »ojemine«, die aus »Jesu domine« entstand. Gleichzeitig ist es wohl so, dass sich diese Ausrufe im Volksmund entwickelt haben, eben weil der Name nicht leichtfertig verwendet werden sollte – was zu Ihren Gunsten spricht. ;-)
      Was die Schreibweise angeht, handelt es sich hier um eine Zusammenziehung: Aus mehreren Wörtern ist ein neues entstanden; »oje« ist also korrekt.
      Viele Grüße
      Miriam

      1. Hallo Miriam,
        großen Dank für Ihre prompte Antwort und die erschöpfende Auskunft, die nun keine Frage mehr offen lässt. Kompliment für Ihr Engagement!
        Freundliche Grüße
        Martin

  5. Pommes Leibowitz

    Sehr interessant, ist mir aber Wurscht, oh mit h sieht einfach besser aus und kann nicht mit Null verwechselt werden. Und ganz ehrlich, das ist doch Erbsenzählerei vom Feinsten, wie so vieles in den deutschen Rechtschreibregeln ;-)

      1. Johannes Sreinmaier

        Ich finde ihre Erklärungen und Erläuterungen sehr interessant und aufschlussreich. Gerade auch die Erklärung was den Duden betrifft. Vielen Dank.
        Die deutsche Rechtschreibung finde ich sehr komplex und sehr schwer zu beherrschen. Meinen Respekt haben Sie!

  6. Liebe Miriam, hier ist nochmal der Markus aus Burg. Ich schreibe seit einem Jahr ein Buch über Erlebnisse während meiner Praxistätigkeit. Es gibt Lustiges, Trauriges und auch Nachdenkliches. Ich bin beim fünften Kapitel und habe noch genug Stoff für ein sechtes Kapitel. Dann möchte ich alles beenden. Einige Gedichte füge ich noch bei und das soll’s dann gewesen sein. Hinsichtlich Rechtschreibung und Grammatik fühle ich mich ziemlich sicher, aber manchmal fahre ich mich fest. Vor allem halte ich noch an dem Gelernten fest, welches allerdings aus der Zeit vor der Rechtschreibreform stammt. Wenn ich weiter recherchiere, treffe ich auf die neuen Regeln, komme aus dem Konzept und mache unglaubliche Fehler. Besteht die Möglichkeit, das Sie meine Ausführungen korrekturlesen, bevor ich sie einem Verlag anbiete oder in Eigenregie drucken und binden lasse? Viele liebe Grüße von Markus . . . :-)))

    1. Miriam Muschkowski

      Hallo Markus,
      ich schreibe Ihnen eine Mail, dann können wir alles Weitere besprechen. Herzliche Grüße und bis demnächst in Ihrem Postfach. :-)

  7. Liebe Miriam, gerade habe ich Ihre Ausführungen zu „O“ und „Oh“ gelesen. Dank Ihrer einfachen und dennoch exzellenten Erklärungen habe ich alles sehr gut verstanden und werde es künftig genauso anwenden. Im Übrigen fand ich es auch frisch und pfiffig geschrieben und damit einprägsam. Vielen Dank dafür und liebe Grüße von Markus!

  8. Vielen Dank für den aufschlussreichen Beitrag!
    Das ist eine Frage, über die ich mir schon viel zu oft den Kopf zerbrochen habe.
    Jetzt, da ich Ihren Text gelesen habe, bestimmt nicht mehr. ;-)

    ‚Keep up the good work‘ und alles Gute!

    Liebe Grüße
    Kay

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